Internationaler Nonino Preis 2019

Juan Octavio Prenz

 

BEGRÜNDUNGEN

Prenz ist ein Schriftsteller von absoluter Originalität, der in glücklicher Stille wirkt. Er vereint in seinen unverwechselbaren Werken die epische Fantasie der großen lateinamerikanischen Literatur mit den geheimnisvollen Schatten, in denen die Figuren der großen mitteleuropäischen Literatur verborgen sind. Als Argentinier mit istrianisch-kroatischen Wurzeln ist Prenz ein zurückhaltender und leidenschaftlicher Dichter der ahasverischen, schmerzhaften, sanguinischen und pikaresken Odyssee, die die Menschen im Labyrinth des irdischen Daseins zerstreut, sie im Meer des Lebens wandern lässt und sie aus jeder erstarrten Identität herausreißt, ohne jedoch die Gemeinsamkeit von Schicksalen, von Zuneigungen, von Wunderlichkeiten aus ihren Herzen tilgen: das Kartenspiel im Wirtshaus sowie den Widerstand gegen Gewalt und tyrannische Macht. In seinem Gedichtband Mascarón de proa werden die weiblichen Figuren, die am Bug der Segelschiffe nach dem Überqueren der Ozeane im Wasser der Bucht verwittern, zu Geschichten über die Liebe, die Einsamkeit, den Spott und den Kampf. Der groteske Roman Fabula de Inocencio Onesto, el degollado ist ein Gleichnis von der Unmenschlichkeit, die über dem Schicksal eines jeden schwebt. Ein Meisterwerk wie El señor Kreck verbindet die blutige argentinische Militärdiktatur – die auch Prenz ins Exil getrieben hat – mit dem Schicksal eines Mannes, der versucht, im anonymen Schatten zu verschwinden. Dargestellt wird dies in einer Erzählung, die viele Stimmen und viele Sichtweisen hat. In einem anderen wundervollen Epos mit dem Titel Sólo los árboles tienen raíces wird der Migrantenstrom zu einer Unität menschlicher Ereignisse, mal sind sie tragisch, mal schelmenhaft oder rücksichtslos, doch immer sich selbst treu. Es ist wie ein Fresko von Migrationen, von emotionalen Bindungen, von Transgressionen im Meer, die Saba als das “warme Leben” bezeichnete.

Der Preis wird überreicht von Claudio Magris.

 

LEBENSGESCHICHTE

Juan Octavio Prenz wurde 1932 in Ensenada (Argentinien) als Sohn istrianischer Eltern geboren. Nach seinem Philologie-Studium an der Universität von La Plata (Argentinien) lebte er von 1962 bis 1967 und von 1975 bis 1979 in Belgrad, bis er dann nach Triest zog, wo er derzeit lebt. Dazwischen verbrachte er lange Aufenthalte in Argentinien. Er unterrichtete spanische Sprache und Literatur an den Universitäten von Buenos Aires, La Plata, Belgrad, Ljubljana und Triest. Neben Erzählungen und Gedichten veröffentlichte er zahlreiche Essays über spanische und hispanisch-amerikanische Literatur in lateinamerikanischen und europäischen Zeitschriften. Überdies war er Herausgeber und Übersetzer wichtiger Werke von berühmten slowenischen und serbischen Dichtern. Er selbst definiert sich als jugo-italo-argentinischer Schriftsteller. Wichtig in der literarischen Tätigkeit von Juan Octavio Prenz war bereits in den siebziger Jahren seine poetische Produktion, die acht in verschiedene Sprachen übersetzte Gedichtbände und zahlreiche Übersetzungen der berühmtesten Autoren der slowenischen und serbischen Dichtung umfasst.

Am 24. Januar 2019 erscheint die Gedichtesammlung Figure di Prua im Verlag La Nave di Teseo (Span. Originaltitel Mascarón de proa) zum ersten Mal in italienischer Übersetzung.

In italienischer Sprache wurden seine Romane Favola di Innocenzo Onesto, il decapitato (Verlag Marsilio) und Solo gli alberi hanno radici (Verlag La nave di Teseo) veröffentlicht und in Kürze erscheint der Roman Il signor Kreck (Verlag La nave di Teseo).
Er erhielt die Auszeichnung “Promoción literaria de la Provincia de Buenos Aires”, die “Faja de honor de la Sociedad de Escritores de la Provincia de Buenos Aires”, den Casa de las Américas-Preis, den Povelja-Preis, die höchste Auszeichnung des Verbandes der literarischen Übersetzer Serbiens, und den Zlatno Pero-Preis (Goldene Feder) des Verbandes der literarischen Übersetzer Mazedoniens.

“Sólo los árboles tienen raíces – Nur die Bäume haben Wurzeln, ist ein Satz, den ich oft als Antwort verwendete, gegenüber denjenigen, die mich drängten, mich einseitig für argentinisch, jugoslawisch oder italienisch zu erklären, da ich in diesen Sprachen geschrieben und in den Ländern gelebt habe, wo diese Sprachen gesprochen werden. Alles beruht auf meinem Misstrauen gegenüber simplizistischen Metaphern, von denen eine eben den Menschen zu einem Wesen mit Wurzeln macht. Manchmal gab ich mir folgende Antwort: Wenn es schon um Metaphern geht, warum dann Wurzeln und nicht Flügel? Warum kann man nicht davon ausgehen, dass Identität auch als zukünftiges Miteinander definiert werden kann statt sich nur auf die Vergangenheit zu besinnen. “ (JUAN OCTAVIO PRENZ, 2018)