Internationaler Nonino Preis 2018

Ismail Kadare

 

BEGRÜNDUNGEN

Lyriker, Romanschriftsteller, Essayist und Drehbuchautor, geboren in Albanien. Als Aöde, der zwischen historischer Realität und Nichtrealität sein Volk liebt und kritisch analysiert, verfasst er großartige Erzählungen, die Ruhm und Tragödien der balkanischen und osmanischen Vergangenheit beleuchten. Seit der Diktatur lebt er in Paris im Exil, „um nicht im Dienste der Tyrannei tätig zu sein“. Das Schweigen hat er abgelehnt, weil es seiner Ansicht nach die Hälfte des Bösen ist. Seine Geschichten sind oft in imaginäre Welten eingebettet, um die schrecklichen Verbrechen des Totalitarismus und seiner Inquisitoren bezeugen zu können. Für Kadare ist religiöse Toleranz der Grundpfeiler seiner Arbeit.

Der Preis wird überreicht von Claudio Magris

 

LEBENSGESCHICHTE

Ismail Kadare wurde 1936 in Gjirokastra geboren und ist der berühmteste albanische Lyriker und Schriftsteller. Nach ersten lyrischen Werken, die ihm große Anerkennung einbrachten, gelang ihm der internationale literarische Durchbruch mit Novellen und Romanen, in denen er die Situation und die Bestrebungen seines Volkes verarbeitete. Eingebettet in ein fiktives Umfeld entwickelte er Geschichten zu historischen und nichthistorischen Themen, die sowohl wichtig für sein Land, aber auch universell anwendbar waren. Zu den bedeutendsten Romanen zählen: Gjenerali i ushtrisë së vdekur, 1963 (Der General der toten Armee, 2006), in dem die Suche nach den Leichen der gefallenen Italiener beschrieben wird; Kronikë në gur, 1971 (Chronik in Stein, 1999) über eine Episode des Partisanenkrieges; Pallati i ëndrrave, 1981 (Der Palast der Träume, 2005), in dem es dem Osmanischen Reich, dem Symbol für Fremdherrschaft und Macht, gelingt, die Träume seiner Untertanen zu kontrollieren. Kadare wurde wiederholt für den Literatur-Nobelpreis nominiert und 2005 mit dem Man Booker International Prize ausgezeichnet für “ein Korpus von Werken eines Autors, der einen globalen Einfluss erzielt hat”. 2009 erhielt er den Prinz-von-AsturienPreis und 2015 den Jerusalem-Preis für die Freiheit der Individuen in der Gesellschaft. Er lebt in Paris. Der Verlag La nave di Teseo hat gemäß einer Vereinbarung mit dem Literaturagenten Andrew Wylie die Übersetzungsrechte sowohl für das jüngste Werk von Ismail Kadare als auch für den Gesamtkatalog seiner Arbeiten erworben und beabsichtigt eine Neuübersetzung direkt aus dem Albanischen, der Originalsprache des Schriftstellers. Ende Januar 2018 erscheint auf Italienisch die Erzählung La provocazione. Kadare studierte an der Universität Tirana und spezialisierte sich in Moskau. Er weilte zu Studienaufenthalten in China, in den USA und Frankreich, wo er 1990 politisches Asyl erlangte. Mit dem Sturz des Regimes kehrte er 1992 in seine Heimat zurück und lebte sowohl in Albanien als auch in Frankreich. Er begann seine Karriere als Lyriker mit der Sammlung Frymëzimet djaloshare (1954), doch der internationale literarische Durchbruch gelang ihm mit seinen Erzählungen und Romanen. Zu den bedeutendsten Romanen zählen Kështjella, 1970 (Die Festung, 1999), ein epischer Roman über die Verteidigung gegen die Türken; Nëntori i një kryeqyteti, 1975 (November einer Hauptstadt, 1991), in dem die Befreiung gefeiert wird; Muzgu i perëndive të stepës, 1978 (Die Dämmerung der Steppengötter, 2016), Ura me tri harqe, 1978 (Die Brücke mit den drei Bögen, 2005), das im Albanien von 1377 spielt, als das Land von den Türken bedroht wird; Kush e Solli Doruntinën?, 1980 (Doruntinas Heimkehr, 1998) über die Geschichte eines Toten, der sein Grab verlässt, um das Versprechen gegenüber seiner Mutter zu halten. In den neunziger Jahren setzte Kadare seine Produktion nach dem Vorbild der historischen Allegorie fort. In Nga një dhjetor në tjetrin, 1991 (Von einem Dezember zum andern, 1991) beschreibt er seine schmerzliche Entscheidung (1990) Albanien zu verlassen. In Piramida, 1992 (Die Pyramide, 2014) wird der Bau der Cheops-Pyramide thematisiert, die als Symbol für einen utopischen Totalitarismus enorme Grausamkeiten mit sich brachte. 1999 schrieb er Tri këngë zie për Kosovën (Drei Trauerlieder für Kosova, 1999), ein Sammelband, dessen Erzählungen eine Kontinuität herstellen zwischen der Offensive von Slobodan Miloševic´ und der epischen Schlacht von 1389, als die osmanische Armee auf eine christlich-balkanische Koalition traf. Zu den jüngsten Arbeiten zählen Aksidenti, 2008 (Der Unfall, 2010), E penguara: requiem për Linda B., 2009 (Die Verbannte, 2017), Darka e gabuar, 2009 (Ein folgenschwerer Abend, 2010), Kukulla, 2015 (Die Puppe, 2015). In Italien erschienen seine Werke im Verlag La nave di Teseo.