NONINO-PREIS "AN EINEN MEISTER UNSERER ZEIT" 2016

Alain Touraine

 

BEGRÜNDUNG

Durch sein Denken hat er einen der meist gebrauchten und missbrauchten Begriffe unserer Zeit geprägt: „die postindustrielle Gesellschaft“. Seine klare und genaue soziologische Analyse reicht von der Politik der individuellen Ethik bis zur sozialen Bewegung. Kernpunkt sind dabei immer die sozialen Dynamiken und ihr Zusammenhang. Das Individuum, das einer uralten heiligen Welt beraubt wurde, wird ein menschliches Wesen, das, da es in der Lage ist, sich zu verändern, durch sein Handeln zum Schöpfer und Richter seines eigenen Schicksals wird.

 

LEBENSGESCHICHTE

Alain Touraine ist einer der wichtigsten Vertreter der gegenwärtigen Soziologie.
Er wurde am 3. August 1925 in Hermanville-sur-Mer (Calvados) geboren und verfügt über eine historische Ausbildung im Sinne und in der Tradition der Sozialgeschichte, die sich auf die Annales und auf die Lehren von L. Febvre und F. Braudel bezieht.

Er studierte an der all’École Normale Supérieure in Paris und wurde Professor “agrégé” für Geschichte (1950).   In den Jahren 1952 und 1953 war er als Rockefeller Fellow an den Universitäten Harvard, Columbia und Chicago tätig und bis zum Jahr 1958 Forscher am CNRS (Conseil National de la recherche Scientifique). Er hat in vielen lateinamerikanischen Ländern, den USA und Kanada sowie an der Universität Paris-Nanterre (1966 – 1969) Soziologie gelehrt.

Seit 1970 ist er Direktor der École des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris, wo er sich vor allem mit Industriesoziologie und besonders mit den Niveaus des “Bewusstseins“ der Arbeiterklasse beschäftigt sowie mit der Dynamik und mit den Eigenschaften der “sozialen Bewegungen” nach den Kriterien und den Methoden, die er in seiner “Sociologie de l’action” („Soziologie des Handels“) (in Zusammenarbeit mit L. Libertini und R. Panzieri, Paris, 1965) dargestellt hat. Er hat den Ausdruck “postindustrielle Gesellschaft” geprägt.
1956 gründete er an der Universität Chile ein Forschungszentrum für Soziologie der Arbeit und im Jahr 1958 das Zentrum für industrielle Soziologie in Paris (seit 1970 Centre d’Etudes des Mouvements Sociaux; Zentrum zur Untersuchung des sozialen Wandels).
Heute ist er Mitglied verschiedener Forschungsinstitute, wissenschaftlicher Akademien und schreibt in seinem Blog.
Sein letztes in Italien übersetztes Buch ist “Dopo la crisi. Una società possibile” („Nach der Krise. Eine mögliche Gesellschaft”) (Verlag Armando). In Frankreich ist vor kurzem sein “Nous, Sujets Humains” („Wir. Menschliche Themen“) (Verlag du Seuil) erschienen.

Er hat viele Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den “Prinz-von-Asturien-Preis” im Jahr 2010 und das Kreuz der Ehrenlegion im Jahr 2014.

Auswahl seiner auf Deutsch erschienenen Werke:
Jenseits der Krise. Wider das politische Defizit der Ökologie (1976)
Die antinukleare Prophetie
Zukunftsentwürfe einer sozialen Bewegung (1982)
Soziologie als Handlungswissenschaft (1974)
Die postindustrielle Gesellschaft (1972)
Was nützt die Soziologie? (1976)